Hans Forkl
Fibuladefekt: Fehlbildung des Wadenbeins
Ist das Wadenbein Ihres Kindes fehlgebildet, sprechen wir von einem Fibuladefekt (fibulare Hemimelie). Meist tritt diese seltene angeborene Fehlbildung einseitig auf und kann bei jedem Kind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein. In seltenen Fällen kann der Fibuladefekt auch bei einer syndromalen Erkrankung vorkommen. Das Wadenbein (Fibula) kann leicht bis stark verkürzt sein oder vollständig fehlen. Bei den meisten Kindern bestehen zudem Achsabweichungen (X-Bein) am betroffenen Unterschenkel und Fehlbildungen am Fuß, der dann zur Außenseite hin abkippt. In vielen Fällen sind die Bänder des Kniegelenks mitbetroffen (Bandinstabilität) und auch der Unterschenkel ist fehlgebildet (proximaler Femurdefekt).
Ursachen
Wie es zu einer Fehlbildung des Wadenbeins kommt, ist bislang unbekannt.
Symptome
Fehlbildung ab und können von leichten bis hin zu schweren Beeinträchtigungen reichen. Die Ausprägung können wir anhand eines Röntgenbildes mithilfe der Einteilung nach Achtermann und Kalamchi, einer der gebräuchlichsten Klassifizierungen des Fibuladefektes, bestimmen und geeignete Behandlungen für Ihr Kind ableiten:
- Typ IA: Das Wadenbein (Fibula) ist knienah unvollständig ausgereift (Minderanlage), das Sprunggelenk ist intakt.
- Typ IB: wie IA, wobei das Sprunggelenk zusätzlich fehlgeformt ist.
- Typ II: Das Wadenbein fehlt vollständig.
Behandlungsmethoden
Bei der Behandlung eines fehlgebildeten Wadenbeins (Fibuladefekt) liegt unser Augenmerk darauf, wie stark die Beinlängen Ihres Kindes voneinander abweichen und wie ausgeprägt die Fehlstellung der Beinachsen und die Fehlbildung der Füße (Fußdeformität) sind. Die Wahl der geeigneten konservativen und operativen Therapiemaßnahmen treffen wir auch unter Berücksichtigung des Alters Ihres Kindes.
Konservative Behandlungsmethoden
Ist das betroffene Bein Ihres Kindes nur geringfügig kürzer als das andere, können wir den Beinlängenunterschied meist durch eine Schuherhöhung ausgleichen. Bei einer stark ausgeprägten Fehlbildung stehen verschiedene prothetische Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung, die wir individuell an Ihr Kind anpassen. Das Ziel ist, dass Ihr Kind weitgehend beweglich ist und möglichst selbständig laufen kann. Hierbei unterstützen zusätzlich unsere erfahrenen Physio- und Ergotherapeuten.Operative Beinverlängerung: Marknagel (intramedullärer Verlängerungsnagel)
Um die Beinverlängerung bei Ihrem Kind millimetergenau und ohne äußerliche Fixierung vorzunehmen, setzen wir sogenannte Marknagelsysteme ein. Über mit hochmoderner Technologie ausgestattete Verlängerungsnägel, die in den betroffenen Knochen versenkt werden, lässt dieser sich mithilfe einer magnetgesteuerten Fernsteuerung schrittweise von außen verlängern. Die besonders schonende Methode ermöglicht es, dass Sie die Nachversorgung zu Hause selbst weiter durchführen können. Die weiteren Kontrollen werden ambulant in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Der Marknagel kann so lange im Knochen verbleiben, bis die gewünschte Verlängerung (maximal acht Zentimeter) erreicht und die neu gewachsene Knochenstrecke stabil belastbar ist. Unter bestimmten Bedingungen eignet sich dieses Verfahren für Ihr Kind und wir beraten Sie dazu gerne ausführlich.Operative Beinverlängerung: Fixateur Externe
Als Fixateur Externe wird ein Spannsystem bezeichnet, das mit Schrauben von außen über die Haut an mehreren Stellen in dem Knochen befestigt wird, der verlängert werden soll. Das System lässt sich so verstellen, dass der Knochen durch ein schrittweises Auseinanderdrehen der Stellschrauben nach und nach gestreckt und dadurch verlängert wird. Auch zusätzlich bestehende Achsabweichungen können darüber korrigiert werden. Das Spannsystem kann entweder ringförmig um das Bein liegend oder seitlich am Bein (monolateral) angebracht werden. Ob ein Fixateur Externe für Ihr Kind in Frage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu beraten wir Sie gerne individuell.Fibuladefekt: Operative Behandlungsmethode
Fehlbildungen am Fuß (Fußdeformität), Fehlstellungen der Beinachse und größere Beinlängenunterschiede aufgrund eines fehlgebildeten Wadenbeins (Fibuladefekt) bei Ihrem Kind können wir operativ korrigieren. Ist der Fuß Ihres Kindes betroffen, können Zehen (Strahldefekt) fehlen und er ist in der Regel sehr schmal, so dass er nach außen abkippt und dadurch nicht oder eingeschränkt belastbar ist.Mit einer Operation können wir den Fuß begradigen, so dass der Fuß in seiner optimalen Position zentral unterhalb des Unterschenkels liegt und Ihr Kind ihn wieder voll belasten kann. Eine Beinachsenfehlstellung bei Ihrem Kind können wir entweder mit Wachstumslenkung oder mit einer sogenannten Umstellungsoperation (Umstellungsosteotomie) korrigieren. Dafür stellen wir die richtigen Winkel und Drehverhältnisse der Gelenke wieder her.
Weichen die Beinlängen bei Ihrem Kind stark voneinander ab, können wir den Knochen des kürzeren Beins operativ verlängern. Hierfür stehen zwei Verfahren zur Verfügung: ein Spannsystem, das außen am Bein befestigt wird (Fixateur Externe) und ein hochmoderner Verlängerungsnagel (Marknagelsystem), der im betroffenen Knochen verankert wird. Wenn sich eines der Verfahren eignet, um den Beinlängenunterschied bei Ihrem Kind auszugleichen, besprechen sich unsere Experten sich hierzu gerne ausführlich mit Ihnen.
Unsere Spezialisten
Hans Forkl
Florian Paulitsch
Daniela Lewens
Christel Schäfer
Stephan Wieser
Thomas Wolf
Johannes Wolz
Harald Böhm
Therapiemöglichkeiten
Die physiotherapeutische Behandlung bei Patient:innen mit Tibia- und Fibuladefekt erfolgt angepasst an den individuellen Befund und das Alter. Je nach ärztlicher Behandlungsmethode (konservativ oder operativ), kommen verschiedene Therapiemaßnahmen zum Einsatz.
Die altersgerechte Entwicklungsförderung findet durch neurophysiologische Behandlungsmethoden mit dem Schwerpunkt auf eine symmetrische motorische Entwicklung statt.
Die Anpassung und Austestung der Orthese bzw. Prothese erfolgt in der Klinik in enger Zusammenarbeit von ärztlichem Dienst, Therapeuten und Orthopädietechnikern. Unsere erfahrenen Physio- und Ergotherapeuten unterstützen Ihr Kind zudem begleitend mit dem Ziel, einen möglichst alltagstauglichen Umgang mit der Prothese, z.B. Handling (An -und Ausziehen), zu entwickeln.
Bei unseren kleinen Patient:innen steht zunächst die Akzeptanz der Versorgung und das Aufstehen, Stehen, Seitwärtsgehen bis zum freien Gehen sowie Sturztraining, im Vordergrund.
Ab dem Schulkindalter gewinnt die intensive Gangschule mit der orthopädietechnischen Versorgung am Laufband bzw. mit oder ohne Gehhilfe an Bedeutung. Das Behandlungsziel sollte die achsgerechte Vollbelastung des betroffenen Beines sein. Die intensivierten Maßnahmen umfassen zudem das Kraft- und Ausdauertraining unter dem Prinzip der Trainingstherapie, sowie mobilisierende Maßnahmen.
Nach einer operativen Maßnahme stehen die Verbesserung der aktiven und passiven Beweglichkeit durch Manuelle Therapie, Kräftigungsübungen und Weichteiltechniken im Vordergrund.
Langfristig ist uns die Hinführung zu sportlichen Aktivitäten ein Anliegen, dies kann zum Beispiel Klettern, Tischtennis, Schwimmen oder Radfahren sein.
Haben Sie Fragen?
Ob Fragen über Behandlungsmöglichkeiten, Terminvereinbarungen oder Informationen über unsere Fördermöglichkeiten - wir beraten Sie gerne!