
Ferdinand Wagner
Bei der Epiphyseolysis capitis femoris (ECF) gleitet der Femurkopf krankhaft Richtung Körpermitte und Rücken beziehungsweise der Oberschenkelhals an dem im Gelenk fixierten Oberschenkelkopf nach außen und vorne. Hieraus und aus der Schwere des Abgleitens resultiert auch die Behandlung der Epiphysiolysis capitis femoris.
Die Einteilung der ECF erfolgt bei uns zunächst nach den üblichen Kriterien Anamnesedauer und Beschwerden (Floridität):
Bei einem akuten Krankheitsbild (epiphysiolysis femoris acuta) wird eine Anamnesedauer von weniger als zwei Wochen vorausgesetzt. Bei einem chronischen Krankheitsbild (epiphysiolysis capitis lenta) eine Anamnesedauer von mehr als zwei Wochen. Ein Mischbild stellt hierbei eine akut chronische ECF dar, bei der es bei einer Anamnesedauer größer zwei Wochen zu einer plötzlichen Verschlimmerung der Beschwerden mit Gehunfähigkeit kommt.
Die Krankheit tritt in aller Regel während des beschleunigten, pubertären Wachstumsschubes auf. Bei Mädchen üblicherweise zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr, bei Jungen zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr.
Die ECF gehört zu einer der wenigen Notfallsituationen in der Kinderorthopädie. Wahrscheinlich verursachen hormonelle Einflüsse, ausgelöst durch eine chronische Überbelastung, die Krankheit. Dies tritt beispielsweise bei adipösen oder sportlich sehr aktiven Jugendlichen auf.
Die Diagnose einer ECF wird anhand von Schmerzangaben (teilweise immobilisierender Schmerz, häufig im Kniegelenk lokalisiert, schmerzhafte Einwärtsdrehung des Oberschenkels) sowie Röntgenaufnahmen (immer beide Hüften in zwei Ebenen) gestellt. Ein Verlust der Gehfähigkeit ist hierbei ein starker Hinweis auf ein akutes, instabiles Geschehen.
Die akute Epiphysenlösung ist im Gegensatz zur chronischen nicht selbstlimitierend und muss in aller Regel (operativ) therapeutisch angegangen werden.
In der Orthopädischen Kinderklinik Aschau orientieren wir uns an den allgemeinen Behandlungsstandards.
ECF: Konservative Therapie
Die konservative Therapie der ECF ist eine absolute Sondersituation und nur in Ausnahmefällen indiziert (zum Beispiel Kind aus anderen Gründen nicht narkosefähig).ECF: Operative Behandlungsmethode - "in situ Verschraubung"
Bei Abrutschwinkeln bis 30 Grad wird in aller Regel die minimal-invasive operative „in situ Verschraubung“ der betroffenen Seite durchgeführt. In gleicher Narkose erfolgt dann in der Regel die prophylaktische Verschraubung der Gegenseite, da es gehäuft auch zu einem Abrutschen der eigentlich gesunden Seite kommen kann.Manchmal kommt es hierbei zu einer ungünstigen Stellung des Hüftkopfes - sog. CAM-Impingement oder andere Formen des femuroacetabulären Impingements (FAI) - zum Schenkelhals. Nach Wachstumsabschluss kann hier deshalb eine zweite Korrekturoperation zur Funktionsverbesserung notwendig sein.
ECF: Chirurgische Hüftkopfluxation
Bei größeren Abrutschwinkeln über 50 Grad (Stadium 3) führen wir in unserem Haus eine chirurgische Hüftkopfluxation nach Ganz mit Dunn Osteotomie (modified Dunn Procedure) durch. Dieses Verfahren entspricht im wesentlichen einer offenen Reposition des Hüftkopfes auf den Schenkelhals.Oftmals ist diese Operation auch aufgrund des funktionell schlechten Outcomes der „in situ Verschraubung“ notwendig. Auch dieses Verfahren ist nicht risikofrei.
Als eingriffsspezifische Maximalkomplikation kann es hier zu einer Hüftkopfnekrose mit Bewegungseinschränkung, Schmerzen und frühzeitiger Coxarthrose kommen. Dennoch ist zu sagen, dass die drohenden Folgen bei unterbliebener Behandlung der ECF ebenfalls die Hüftkopfnekrose und Coxarthrose ist.
Der Vorteil dieser OP besteht jedoch darin, dass die Epiphyse reponiert und in "physiologischer" Stellung fixiert werden kann. Somit ist das kurz- und langfristig funktionelle Outcome deutlich besser, d.h. die Beweglichkeit der Hüfte wird deutlich besser sein.
Zudem besteht ein besseres „Containment“, wodurch auch die Hüftpfanne vor einer frühzeitigen Arthrose geschützt ist.
Vor dieser Therapiemaßnahme lassen wir zur besseren Planung in der Regel heimatnah MRT-schnittbildgestütze Diagnostik des Hüftgelenkes durchführen.
Somit können ggf. Reparationsstadien aufgedeckt und die Verlaufsform (akut oder chronisch) besser klassifiziert werden.
Außerdem können wir so die Durchblutung des Hüftkopfes beurteilen: Bei intakter Durchblutung kann die offene Reposition großzügiger indiziert werden, bei gestörter Durchblutung wird eher in situ fixiert und nach Wachstumsabschluss eine Korrekturosteotomie durchgeführt.
Ob Fragen über Behandlungsmöglichkeiten, Terminvereinbarungen oder Informationen über unsere Fördermöglichkeiten - wir beraten Sie gerne!